Christian Wolf: «Persönlich ziehe ich eine positive Bilanz»

Nach dem Ende seiner Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident von Liechtenstein Marketing zum Jahreswechsel blickt Christian Wolf auf seine Amtszeit zurück.
Christian Wolf, zum Ende des Jahres 2024 sind sie aus dem Verwaltungsrat von Liechtenstein Marketing ausgeschieden. Ganz abgeschlossen ist ihre Tätigkeit aber dennoch nicht, oder?
Christian Wolf: Im Grossen und Ganzen ist meine Tätigkeit bei Liechtenstein Marketing abgeschlossen. Aber ich werde natürlich bei Fragen noch zur Verfügung stehen. So ist beispielsweise geplant, dass ich bei der Revision für das Jahr 2024 noch involviert sein werde, und voraussichtlich werde ich auch im Geschäftsbericht 2024 noch einen kurzen Jahresrückblick mitgestalten.
Welche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer achtjährigen Tätigkeit?
Persönlich ziehe ich eine durchwegs positive Bilanz. Es war eine sehr intensive Zeit. Insbesondere hatte ich natürlich auch einen speziellen Start, denn die Organisation stand zu Beginn meiner Tätigkeit ohne Geschäftsführer da. Als ich meine Tätigkeit im Dezember 2016 aufnahm, erhielt ich über Weihnachten einen ganzen Ordner mit Bewerbungen für die Stelle als Geschäftsführer in die Hand gedrückt. Ein halbes Jahr mussten wir ohne operative Führung überbrücken, ehe Michelle Kranz das Zepter übernahm. Das war schon ein spezieller Einstieg.
Welche Aktivitäten sind Ihnen aus Ihrer Zeit bei Liechtenstein Marketing sonst noch in Erinnerung geblieben?
Kurz nach meinem Start wurde ich darauf hingewiesen, dass wir als Liechtenstein Marketing für die Durchführung der Feierlichkeiten zum 300-Jahr-Jubiläum im Jahr 2019
verantwortlich zeichnen würden. Darüber hatte man in den Vorgesprächen kein Wort verloren und ich war mir dessen auch bis dahin nicht bewusst. Rückblickend haben wir aber das 300-Jahr-Jubiläum als Chance genutzt und aufgezeigt, dass wir auch als kleine Organisation für liechtensteinische Verhältnisse etwas Grosses erfolgreich stemmen können. Dies hat uns sehr viel Rückenwind für die weitere Entwicklung gegeben. Ein weiterer besonderer Moment war die Eröffnung der Präsenz Liechtensteins im Europa-Park.
Wie ist diese Idee entstanden?
Das Ganze entstand aus einer Wette bei einer Geburtstagsfeier, unter anderem mit Regierungschef Daniel Risch am Tisch. Wir kamen auf den Europa- Park zu sprechen und ich ging die Wette ein, dass wir es als Liechtenstein Marketing schaffen würden, eine Präsenz dort zu schaffen, wissend, dass frühere Anläufe nicht erfolgreich waren. Inzwischen haben bereits eine Million Gäste des Parks die «Liechtensteiner Luftballonfahrt» besucht – eine unglaubliche Zahl, welche auch die Familie Mack als Inhaberin des Parks nie und nimmer erwartet hätte.
Gab es noch weitere Herausforderungen, mit denen Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit konfrontiert wurden?
Liechtenstein Marketing hatte damals so gut wie kein Eigenkapital. Das heisst: Jeden Franken, den wir ausgeben wollten, mussten wir zuerst mit dem Eigner, sprich mit der Regierung, abstimmen. Mein Ziel war es, jedes Jahr ein wenig Geld zur Seite zu bringen, damit wir nicht für jeden Franken bei der Regierung anklopfen müssen. Und rasch musste ich auch feststellen, dass es mit dem Ruf der Organisation damals nicht überall zum Besten bestellt war. Zusammen mit Michelle Kranz und dem gesamten Team haben wir frühzeitig entsprechende Massnahmen initiiert. Heute haben wir eine stabile Organisation mit Mathias Ulrich als Geschäftsführer und ich bin überzeugt, dass Liechtenstein Marketing heute ein gutes Ansehen geniesst. Auch konnten wir Reserven in Höhe von rund einer halben Million Franken bilden und haben ausserdem unser Projektbudget verdoppelt. Aufgrund unzähliger Rückmeldungen meine ich, dass die Organisation heute über ein gutes Ansehen verfügt, was wir uns auch verdient haben. Durch das Liechtenstein-Center können wir einen beträchtlichen Teil unserer Einnahmen selbst erwirtschaften. Dies konnten wir nur als ein Team gemeinsam erreichen – und genau die Arbeit mit dem gesamten Team hat mir sehr viel Freude bereitet. Und so glaube ich, dass ich meiner Nachfolgerin Isabel Fehr eine wirklich gesunde Organisation übergeben darf.
Wie wichtig sind die Reserven von einer halben Million Franken für die Organisation?
Während der Coronapandemie mussten wir einen Nachtragskredit von 400 000 Franken beantragen. Heute könnten wir dank unserer Reserven in einer ähnlichen Situation immerhin ein Jahr ohne Hilfe überleben. Die Reserven verleihen dem Verwaltungsrat aber auch in normalen Zeiten eine gewisse strategische Flexibilität und erlauben es, gezielte Investitionen in die Zukunft zu tätigen.
Wie steht es um die Aussenwahrnehmung Liechtensteins aus Ihrer Sicht?
Ich denke, bei den etablierten politischen Institutionen im Ausland hat sich das Ansehen unseres Landes sehr positiv gewandelt. Wir haben heute viele internationale Standards umgesetzt und sind Mitglied bei vielen internationalen Organisationen. Aber in der breiten Masse sind sicherlich noch gewisse Vorurteile und Stereotypen präsent. Hier ist es sicherlich hilfreich und notwendig, nicht nur in den Me-dien präsent zu sein, sondern uns auch greifbar zu präsentieren. Dies kann durch Teilnahme an ausgewählten Anlässen und Messen geschehen. Aber auch der Themenbereich im EuropaPark, wo jedes Jahr über sechs Millionen Gäste quasi durch Liechtenstein schlendern und dank verschiedener Informationstafeln mehr über unser Land erfahren können, bietet eine ideale Plattform, um die Öffentlichkeit zu erreichen.
Das heisst, es dürfte in Zukunft noch mehr solche Aktionen seitens Liechtenstein Marketing geben?
Das ist durchaus denkbar. Aktuell gibt es beispielsweise eine Anfrage vom Mini-Wunderland in Hamburg, eine eigene Präsenz für Liechtenstein aufzubauen. Diese Option wird aktuell geprüft und eventuell wird auch hier bald schon ein breiteres Publikum mehr über Liechtenstein erfahren dürfen.
Ganz generell gefragt: Wie wichtig ist die Organisation Liechtenstein Marketing für die Aussenwahrnehmung Liechtensteins Ihrer Meinung nach?
Ich bin überzeugt, dass wir Jahr für Jahr einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Ruf Liechtensteins weiter zu verbessern und das Land bekannt zu machen. Dies ist ein Prozess, der Jahre oder gar Jahrzehnte dauert. «Steter Tropfen höhlt den Stein» und ich bin überzeugt, dass wir heute im Ausland anders wahrgenommen werden als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Das hat natürlich nicht nur mit den Aktivitäten von Liechtenstein Marketing zu tun. Aber wir spielen hier sicherlich eine zentrale Rolle.
Wie herausfordernd ist es aus Ihrer Sicht, ein kleines Land wie Liechtenstein im Ausland zu vermarkten?
Das Interesse von Medien und Influencern an Liechtenstein ist sehr hoch und gibt uns immer wieder die Chance, spannende Geschichten und Fakten über Liechtenstein in die Welt zu tragen. Das jüngste Beispiel des FC Balzers zählt zu dieser Kategorie.
Worin besteht diese Faszination für Liechtenstein aus Ihrer Sicht?
Ich denke, es ist für viele ganz einfach unvorstellbar, dass man auf so einem kleinen Platz eine solch grosse Vielfalt vorfindet. Viele Leute wissen beispielsweise nicht, dass die Industrie mit 40 Prozent doppelt so viel zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt wie der Finanzsektor mit 20 Prozent. Eine solch hohe Diversifikation ist erstaunlich und unterscheidet Liechtenstein von vielen anderen, primär als Finanzplätze angesehenen Ländern. Und trotz der hohen Industrialisierung sind wir touristisch ein sehr attraktives Land . Das zeigen auch die rekordverdächtigen Gästezahlen. Und natürlich trägt auch das Fürstenhaus beziehungsweise das Schloss Vaduz seinen Teil zur Attraktivität Liechtensteins bei. Diese Vielfalt macht Liechtenstein weltweit einzigartig.
Was bräuchte es, um Liechtenstein noch bekannter zu machen?
Die einfachste Antwort wäre: mehr Geld! (lacht) Als ein souveränes Land inmitten Europas müssen wir heute mit sehr bescheidenen Marketingmitteln zurechtkommen. Umgekehrt zwingt uns dies aber auch, stets zu überlegen, über welchen Weg wir mit den vorhandenen Ressourcen die höchste Wirkung erzielen können. Ich denke aber auch, es sollte nicht das Ziel sein, Reserven in Höhe von mehreren Millionen Franken zu bilden. Die Grössenordnung einer halben Million, die wir jetzt haben, ist eine gesunde Basis, um in entsprechendem Rahmen agieren zu können.
Zur Person
Christian Wolf studierte an der ETH Zürich Elektrotechnik und an der HSG Informations- und Technologiemanagement. Nach seinem Studienabschluss arbeitete er vier Jahre lang als Projektleiter bei McKinsey & Company, wo er auf nationaler und internationaler Ebene und in diversen Branchen als Unternehmensberater tätig war. 2001 gründete Wolf dann sein erstes eigenes Beratungsunternehmen. In den folgenden Jahren gründete er zusammen mit Partnern zahlreiche weitere Unternehmen. Unter anderem ist er Gründer und Mitinhaber der Firma BDO (Liechtenstein) AG. Neben seiner beruflichen Haupttätigkeit war Wolf in verschiedenen Verwaltungsräten tätig. Ende 2024 schied er nach achtjähriger Tätigkeit aufgrund der Amtszeitbeschränkung als Verwaltungsratspräsident von Liechtenstein Marketing aus dem Gremium aus.
Foto: Daniel Schwendener
Quelle: https://www.vaterland.li/liechtenstein/wirtschaft/persoenlich-ziehe-ich-eine-positive-bilanz-art-587316