• Grundlegendes

    Im Gegensatz zu anderen Ländern regelt das TVTG nicht die Technologie selbst oder einzelne Anwendungen davon. Das Gesetz bietet einen breiten, technologie-neutralen Ansatz zur Regulierung der gesamten Token-Ökonomie.

    Das TVTG bezweckt den Schutz der Nutzer sowie die Sicherung des Vertrauens in den digitalen Rechtsverkehr. Es beschreibt die Rechte und Pflichten von Dienstleistern, die Tätigkeiten auf VT-Systemen erbringen. Das TVTG denkt nicht nur an rein digitale Vermögenswerte (wie BTC) sondern auch an die Tokenisierung von analogen Vermögenswerten und schafft dabei online und offline Rechtssicherheit. Die Digitalisierung erfordert, dass wir nicht nur Informationen sondern auch Werte digital abbilden und übertragen können.

    Token und Token-Ökonomie

    Die Token-Ökonomie ist ein Begriff für eine digitale Wirtschaft, in der die Blockchain-Technologie, resp. der Token, als Basis für die effiziente Übertragung von Rechten und Vermögenswerten genutzt wird. Die Blockchain-Technologie ermöglicht die direkte Interaktion zwischen den Personen mit diesen Token, ohne dass es dafür einen Vermittler oder Zwischenhändler benötigt. Der Versand digitaler Werte über das Internet ist daher so kostengünstig und einfach wie der Versand einer E-Mail geworden.

    Das TVTG führt mit dem sogenannten Token ein neues Rechtsobjekt ein. Mit dem Token können Rechte der «realen» Welt auf VT-Systemen repräsentiert werden. Ein Token ist somit die digitale Abbildung einer Information auf einem VT-System, die Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einer Person, Rechte an Sachen oder andere Rechte repräsentieren kann und einem oder mehreren VT-Identifikatoren zugeordnet wird. Das TVTG regelt also die Besitz-, Eigentums- und Verfügungsrechte über Token auf VT-Systemen.

    Inhalte des TVTG

    Das Gesetz enthält eingangs eine Reihe von Begriffsbestimmungen zu den einzelnen Elementen und Rollen. Es regelt die Verfügung über Token, d.h. die Verfügungsgewalt (Besitz), die Verfügungsberechtigung (Eigentum) und die Delegation an Dienstleister, wie beispielsweise die Verwahrung von Token durch einen Dienstleister.

    Zudem enthält das TVTG die Anforderungen und Registrierungsvoraussetzungen (z.B. Zuverlässigkeit Art. 14, fachliche Eignung Art. 15, Mindestkapitalanforderungen Art. 16), die an VT-Dienstleister gestellt werden. Welche Basis-Information bei der Emission von Token vorab veröffentlicht werden müssen (Art. 30ff)  ist ebenso Gegenstand des Gesetzes, wie die Normierung einer Registrierungspflicht für alle VT-Dienstleister (Art 12, zum Registrierungsverfahren siehe Art. 18ff). Ausserdem unterstellt das TVTG die VT-Dienstleister der Aufsichtspflicht der FMA (Art. 39) und regelt die Strafbestimmungen (Art. 47ff).

  • Wen betrifft das Gesetz?

    Das TVTG schafft eine grundlegende Rechtssicherheit für alle Unternehmen und Privatpersonen, die Token besitzen. Alle Personen mit Sitz oder Wohnsitz in Liechtenstein, die gewerbemässig Dienstleistungen auf der Basis von VT-Systemen (auf vertrauenswürdigen Technologien beruhenden Transaktionssystemen) erbringen, werden reguliert.

    Das TVTG ist technologieneutral formuliert und reguliert somit nicht die Technologie, sondern die Dienstleister. Es regelt welche Voraussetzungen / Anforderungen die einzelnen Dienstleister erfüllen müssen. Die Dienstleister haben gemäss Ihren Rollen gewisse Verpflichtungen zu erfüllen. Die einzelnen Rollen sind:

    Token-Emittent 

    Personen, die Token im eigenen oder im Namen von Dritten anbieten. Eine mögliche Anwendung sind Plattformen, die für ihre Kunden Initial Coin Offerings (ICOs) durchführen.

    Token-Erzeuger

    Personen, die Token durch Programmierung originär erschaffen. Entscheidend ist, dass sie die Tätigkeit berufsmässig ausführen und den Token als Dienstleistung auf einem VT-System erzeugen.

    VT-Schlüssel-Verwahrer / VT-Token-Verwahrer

    Dienstleister, welche die Token oder private Schlüssel für ihre Kunden verwahren. Die Verwahrer können im Auftrag der Kunden auch Transaktionen durchführen.

    VT-Protektor

    Dienstleister, die auf einem VT-System (z.B. Blockchain) Token im eigenen Namen für fremde Rechnung halten oder Transaktionen für Kunden durchführen. Im Unterschied zu der Verwahrer-Rolle treten sie gegenüber den Vertragspartnern als Eigentümer auf. Sie benötigen zwingend eine Bewilligung nach dem Treuhändergesetz.

    Physischer Validator

    Token können Rechte (z.B. Eigentums- oder Nutzungsrechte) an physischen Sachen repräsentieren. Wenn beispielsweise ein Gemälde tokenisiert wird und der Verkauf mittels Übertagung des Tokens erfolgt, gewährleistet der physische Validator, dass der Käufer des Tokens auch vertragsgemäss Zugriff auf das Gemälde erhalten kann. Der physische Validator gewährleistet also die Durchsetzung der im Vertrag bestimmten Rechte.

    VT-Wechseldienstleister

    Dienstleister, die Geld (gesetzliche Zahlungsmittel) gegen Token und umgekehrt sowie Token gegen Token wechseln. Hierunter fallen zum Beispiel physische Wechselautomaten, an welchen man Kryptowährungen wechseln kann, aber auch Plattformen, die den Wechsel ausschliesslich online anbieten.

    VT-Prüfstelle

    Dienstleister, welche die Geschäftsfähigkeit und die Voraussetzungen bei der Verfügung über einen Token prüfen. Hierunter fallen z.B. Dienstleistungen, die gewährleisten, dass ausschliesslich volljährige Personen oder solche, die über eine spezifische Genehmigung verfügen, gewisse Token erwerben können.

    VT-Preisdienstleister

    Personen, die Preise für Token aggregieren bzw. selbst errechnen und veröffentlichen.

    VT-Identitätsdienstleister

    Personen, die berufsmässig den Verfügungsberechtigten eines Token identifizieren und in ein Verzeichnis aufnehmen. Diese Dienstleistung ist z.B. für die Integration von Maschinen (Internet der Dinge) wesentlich. Dadurch können Nutzer, die mit Maschinen Transaktionen durchführen, vorher prüfen, wem diese Maschine zuzurechnen ist. Sie kann aber auch dazu dienen, die Eigentümerschaft über Token zu dokumentieren, z.B. im Erbschaftsfall oder im Falle einer Entwendung oder Verlusts des VT-Schlüssels.

  • Entstehung

    Liechtenstein hat in der Blockchain-Technologie ein grosses Potenzial für die Wirtschaft und den Finanzsektor erkannt. Mit dem TVTG hat Liechtenstein einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der den Nutzern Schutz und den Unternehmen Rechtssicherheit bietet.

    «Es kommt nicht häufig vor, dass ein Kleinstaat wie Liechtenstein eigenständig, ohne irgendwelche Vorlagen von anderen Staaten und ohne europäische Regulierungsvorgaben, ein umfassendes und für die Wirtschaft bedeutendes Gesetz entwickelt.» (Regierungschef Adrian Hasler am 18.10.2019)

    Schaut man sich den weltweiten Suchverlauf bei Google Trends für den Begriff Blockchain zwischen 2015 und 2020 an, zeigt sich eine eindeutige Spitze. Zum Jahreswechsel 2017/2018 war «Blockchain» in aller Munde. Zu dieser Zeit befasste sich eine Arbeitsgruppe in Liechtenstein bereits seit rund zwei Jahren mit der Gesetzgebung in diesem Bereich. Darum verwundert es auch nicht, dass der Begriff Blockchain in Liechtenstein im Verhältnis zu der Gesamtzahl an Suchanfragen weltweit am meisten gegoogelt wurde.

    Kurz nach dem Höchststand der Suchanfragen, im Mai 2018 kündigte Liechtenstein offiziell an, ein umfassendes «Blockchain-Gesetz», so der Arbeitstitel, zu verfassen. Bereits ab August 2018 wurde das öffentliche Konsultationsverfahren durchgeführt und im Juli 2019 das erste Mal im Landtag (Parlament) behandelt. Nach einer zweiten Lesung im Landtag im Oktober 2019 trat das TVTG im Januar 2020 in Kraft.

  • Weitere gesetzliche Grundlagen

    Das TVTG besteht ergänzend zu den bestehenden spezialgesetzlichen Regelungen (z.B. dem BankG, VVG usw.), die jedenfalls nach wie vor einzuhalten sind. Gemeinsam mit dem TVTG erfolgte auch eine Abänderung folgender Gesetze:

    Sorgfaltspflichtgesetz (SPG)
    Finanzmarktaufsichtsgesetz (FMAG)
    Personen und Gesellschaftsrecht (PGR)
    Gewerbegesetz (GewG)

TVTG vs. MiCAR?!

Die EU schafft 2023 mit der Markets for Crypto-Assets Regulierung (MiCAR) ein umfassendes Regulierungspaket, welches der Nutzung von Blockchain im Europäischen Finanzmarkt einheitlich reguliert und einen harmonisierten Rechtsrahmen für Märkte, Handelsplattformen und Vermögensanlagen in Kryptowerten bietet.  MiCAR setzt dabei einen Rahmen, bietet aber den einzelnen Ländern die Möglichkeit, die Möglichkeiten der Nutzung der Blockchain-Technologie hängt jedoch in jedem Land von den jeweiligen übrigen gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Mit dem TVTG hat Liechtenstein hier eine der attraktivsten Regulierungen anzubieten.