„Jeder trägt Verantwortung“
Die liechtensteinische Botschafterin in Deutschland,
Isabel Frommelt-Gottschald, über die besondere Beziehung beider Länder und die dringende Notwendigkeit, sich für mehr Klimaschutz starkzumachen.
Frau Frommelt-Gottschald, Sie sind seit 2017 Botschafterin Liechtensteins
in Berlin. Was zeichnet aus Ihrer Sicht die Beziehung zwischen Liechtenstein
und Deutschland aus?
Beide Länder verbindet eine enge, historisch gewachsene Partnerschaft. Wir haben denselben
Kulturkreis und die gleiche Sprache, es gibt vielfältige politische und wirtschaftliche Verflechtungen.
Wir teilen Europa als gemeinsames Projekt – mit all seinen Vorteilen, aber auch Herausforderungen. Dazu zählen unter anderem der Brexit, die globalen Machtverschiebungen, die Digitalisierung oder das Thema Cyber Security.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind ebenfalls Themen, die uns alle betreffen …
Das ist richtig. Wir messen diesem Themenkomplex eine sehr hohe Bedeutung zu, sowohl national als auch international. Für uns als alpinen Staat sind sicherlich die mit der Klimakrise verbundenen Auswirkungen wie Steinschlag oder Gletscherschmelze ein Problem, andere Länder sind vermehrt von
Dürreperioden, heftigen Stürmen oder Überflutungen betroffen. Die Klimakrise ist zu einem globalen Sicherheitsproblem geworden, dem wir dringend gegensteuern müssen. Gemeinsam mit Deutschland und den anderen Staaten ist es unser Ziel, wirksame Lösungen zu finden.
Was braucht es, damit die Zusammenarbeit im Sinne des Klimaschutzes künftig
noch besser funktioniert?
Jedes Land, egal ob groß oder klein, muss Verantwortung übernehmen. Ein einzelner Staat
kann noch so gute Maßnahmen entwickeln, solange wir international stark vernetzt sind, braucht es Lösungen, die flächendeckend greifen. Dabei bin ich der Überzeugung, dass gerade kleine Länder neue Impulse setzen und somit als Modellstaaten dienen können. Liechtenstein etwa hat es geschafft, das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum von den Treibhausgasemissionen zu entkoppeln. In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Wirtschaftswachstum ungefähr vervierfacht, die Bevölkerung ist um rund ein Drittel gewachsen – die CO2-Emissionen hingegen sind um 20 Prozent gesunken. Liechtenstein hat somit aktuell eine der geringsten Pro-Kopf-Emissionen aller Länder in Europa. Das
ist uns nur durch eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der Solarenergie, gelungen.
Und was natürlich beim Stichwort „Zusammenarbeit“ auch ein wichtiger Faktor ist: Es braucht die Mitwirkung des Wirtschaftssektors, also der im Land ansässigen Unternehmen. Auch Investoren
müssen künftig ein deutlicheres Augenmerk darauf haben, welche Geschäftsmodelle auf Umweltverschmutzung, Ressourcenverschwendung oder sozialer Ausbeutung basieren und welche eben nicht.
Inwiefern sind aus Ihrer Sicht nicht nur staatliche Vorgaben nötig, sondern ist in
puncto Klimaschutz auch das Engagement eines jeden Einzelnen gefragt?
Es braucht ganz klar beides. Der Staat muss die Rahmenbedingungen festlegen und die richtigen Anreize setzen. Jeder Einzelne von uns muss wiederum sein Investitions- und Konsumverhalten hinterfragen und anpassen. Oft erscheinen die Herausforderungen nahezu übermächtig, aber ich bin davon überzeugt, dass jeder noch so kleine Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz etwas bewirkt. Bei mir persönlich ist das Thema Nachhaltigkeit schon seit Studienzeiten präsent, und ich versuche auch als liechtensteinische Botschafterin in Deutschland, wo immer ich kann, meinen Beitrag dazu zu leisten.
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Der Beitrag erschien in der Ausgabe vom 13. Januar 2022 der Frankfurter Allgemeine Zeitung.