Das Leben ist eine Achterbahn
Klack. Der Sicherheitsgurt rastet ein. Ein Warnsignal schrillt. Der Wagen schleudert nach vorne. Mein Puls rast. Eine unsichtbare Kraft drückt mich tief in den Sitz. Wir stürzen ab, rasen in die Tiefe. Mein Magen zieht sich zusammen. Schreie der Angst und Lust erfüllen die Luft. Dann lasse ich mich fallen und geniesse den Höllenritt und das gute Bauchgefühl.
So ergeht es Camiel, als er den Nervenkitzel einer Achterbahnfahrt zum ersten Mal erlebt. Fasziniert weiss er sofort: «Das will ich später beruflich machen». Die Begeisterung für diese Art der Grenzerfahrung hat ihn an sein Ziel gebracht. Heute lebt er seinen Traum und arbeitet bei der Intamin in Liechtenstein. «Ich komme aus Holland. Dort sitzt auch einer der grössten Achterbahnbauer. Aber ich wollte immer zu den Besten», sagt er und seine Augen leuchten, als sein Blick über die Bildschirme an seinem Arbeitsplatz schweift.
Es gibt sie, die Achterbahn-Fans, die nur davon träumen für Intamin arbeiten zu dürfen. Doch beim Bau von Achterbahnen geht es um mehr als um Layout und Animation. In jeder Bahn stecken viele Stunden harte Arbeit und ein hohes Mass an Ingenieurskunst. Statik, Berechnungen und unzählige Detailzeichnungen. Doch die Technik-Freaks und Adrenalin-Junkies des Liechtensteiner Unternehmens sind sich einig: Bei Intamin geht es um echte Innovation. Alles, was sie heute auf dem Papier konstruieren oder im Computer animieren, können sie in drei Jahren selbst erleben. So klein und unscheinbar die Zeichnung eines Getriebes oder einer Achse anfänglich erscheinen mag, irgendwann steht man vor einem dieser «Monster».
Patrick Spieldiener, der die Unternehmensleitung vor 20 Jahren von Vater und Onkel übernommen hat, beobachtet nach wie vor gerne «sein» Publikum. Es gefällt ihm, wenn die Menschen nach der Fahrt mit einer seiner Bahnen begeistert aussteigen und sich sofort wieder in die Schlange stellen – für die nächste Fahrt.
- Intamin = International Amusement Installation
- Über 50 Jahre Erfolgsgeschichte (seit 1967)
- Rund 100 Mio. CHF Jahresumsatz (75% Amusement Rides, 25% Monorails)
- Rund 1’000 Bahnen auf allen Kontinenten.
- Rund 100 Mitarbeiter am Standort Liechtenstein
- Rund 1’000 Menschen arbeiten weltweit permanent an Intamin Produkten
- Zwischen 3 und 30 Mio CHF kostet eine Achterbahn
- Innovationsleader mit vielen «First-off’s»: Linearmotoren, Magnetbremsen, Hydraulikkatapult, uvm.
- Rekorde: Höchste Achterbahn, schnellste Achterbahn, die meistens von Intamin selbst wieder übertroffen werden – mit der nächsten Innovation.
Chancen ergreifen. Mut beweisen
«Können Sie einen Aussichtsturm für unseren Vergnügungspark bauen?» Diese ungewöhnliche Anfrage aus Schweden geht Mitte der 60er Jahre beim Schweizer Seilbahnbauer Bühler ein. Das Projekt gelingt und erregt Aufmerksamkeit. Bald folgen weitere Anfragen aus den USA. Weil der Schweizer Seilbahnbauer den Heimatmarkt und bekannte Produkte vorzieht, ergreifen die Konstrukteure des Turms selbst die Chance und gründen ihre eigene Firma. Dieser mutige Schritt raus aus der Komfortzone, hinaus in die Welt hat sich gelohnt: 50 Jahre und ca. 1‘000 Bahnen später zählt Intamin längst zu den besten Achterbahnbauern der Welt. Auch wenn die Nachfolgeregelung schwierig sein kann, ist Patrick Spieldiener von den Vorteilen eines Familienunternehmens überzeugt. Er schätzt die schnellen Entscheidungen, die bei Bedarf jederzeit revidiert werden können und die langfristige Planung, «weil uns kein Investor oder Aktionär im Nacken sitzt, der uns wegen Umsatzsteigerung und Gewinn Druck macht».
Gänsehautgefühl – Made in Liechtenstein
Mitte der 80er Jahre sterben bei einem tragischen Achterbahnunfall in Kanada drei Menschen. Intamins Firmengründer erleben, wie ein langjähriger Konstruktionspartner in Folge der Gerichtsprozesse in Konkurs geht. Um Risikominimierung bemüht, gründen sie eine weitere Firma im benachbarten Liechtenstein und lernen die Standortvorteile des Kleinstaats zu schätzen. Insbesondere die wirtschaftsfreundliche Art des Landes, der liberale Charakter in der Politik und im Gesellschaftsrecht überzeugen. Seit Mitte der 90er Jahre ist der Firmenhauptsitz in Schaan das Herz und Hirn des Unternehmens, während der Schweizer Standort in Wollerau als Kompetenzzentrum und Ingenieurbüro die Kollegen im Fürstentum unterstützt.
Das Fürstentum Liechtenstein überzeugt als Industriestandort. Satte 40% der Bruttowertschöpfung und 39% der Arbeitsplätze entfallen auf die Industrie und das warenproduzierende Gewerbe. Die Finanzdienstleistungen machen rund 25% der Bruttowertschöpfung aus.

In diesem von Industrie geprägten Umfeld findet man sie überall, die sogenannten "Hidden Champions". Der Definition nach sind das Familienunternehmen, die führend in ihrer jeweiligen Branche sind und mit weniger als 500 Mitarbeitern einen Umsatz von über 50 Mio. CHF erzielen. Auch Intamin gehört dazu. Doch Patrick Spieldiener hält nichts davon, sich auf die eigene Schulter zu klopfen: "Jedes Unternehmen, das sich 30-40 Jahre erfolgreich am Markt behauptet, ist doch ein Champion."

Prinzipientreue
Die Basis für den Erfolg seines Unternehmens sieht der heutige CEO zum einen in dem soliden Fundament der drei Gründer, das aus drei Grundprinzipien besteht: "Schuster bleib bei deinen Leisten", "Fass nur das an, was du selbst stemmen kannst" und "Sei ehrlich". Zum anderen in seiner Innovationskraft. "In unserer Branche sind wir Innovations-Leader. Das zeichnet uns aus. Wir bauen die neusten Anlagen und implementieren die neuesten Technologien", sagt Spieldiener. Auch wenn Innovationen durchaus Anlaufschwierigkeiten haben können und Rückschläge vorkommen – die Kunden wissen genau: Intamin gibt alles. Denn eine Anlage, die zum Saisonbeginn nicht eröffnen kann, kommt einer Katastrophe gleich. Doch in 50 Jahren ist das nur zwei Mal vorgekommen.
Nierensteine und Achterbahnen
Zwei US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Patienten Nierensteine per Achterbahnfahrten schneller ausscheiden können. Dafür haben Sie im September 2018 den Ig-Nobel-Preis für Medizin bekommen. "Ig" steht für das englische Wort "ignobel" (deutsch: unedel). Seit 1991 überreichen echte Nobelpreisträger diesen Preis jedes Jahr an der Harvard Universität. Er wird Wissenschaftlern verliehen, deren Forschungen die Menschen zum Lachen bringen, aber auch zum Nachdenken anregen.
Welche Bahn für Liechtenstein?
Täglich verstopfen diverse Reisebusse die zur Hauptverkehrszeit überlasteten Strassen Liechtensteins. Sie fahren nach Vaduz, laden Touristen ab, parkieren dann ausserhalb am Rheinparkstadion, nur um anschliessend die Gäste im Städtle wieder abzuholen. Patrick Spieldiener hat eine Idee, wie man den zunehmenden Verkehr entlasten kann: "Mit einer Monorailbahn von Intamin. Vom Stadium ins Zentrum. Unsere kleine P6. Mit Stützen auf dem Mittelstreifen montiert, rauscht sie über dem Strassenverkehr dahin. Sie ist sehr effizient und würde sich perfekt eignen."
Vergnügungsparks stehen in direkter Konkurrenz zueinander und brauchen ständig neue Attraktionen. In immer mehr Ländern wächst eine breite Mittelschicht heran, die ihre Freizeit geniessen und gemeinsam etwas erleben möchte. "Da ist noch lange nicht Schluss", ist Patrick Spieldiener überzeugt. "Bis weltweit die Parkdichte der USA erreicht ist, sind wir noch Jahrzehnte mit dem Bau von Achterbahnen beschäftigt." Höher, schneller, weiter – Dank sich immer weiter entwickelnder technischer Möglichkeiten in der Fertigung, verbesserter Antriebe und leistungsfähigerer Computer scheint auch hier kein Ende in Sicht. "Mit der Technik von vor 20 Jahren könnten wir heutige Bahnen nicht realisieren", sagt Spieldiener.
Technologien wie Virtual Reality muss die Branche nicht mehr fürchten. In der Vergangenheit wollten die Parkbetreiber ihren Bahnen so ein zweites Leben ermöglichen. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht nur Handling und Hygieneanforderungen schwierig sind. Viele Menschen vertragen die VR-Brillen nicht. Patrick Spieldiener setzt vielmehr auf den Trend hin zu "Immersive Rides". Anlagen werden in künstliche In- bzw. Outdoor-Szenerien integriert. Mittels Simulatoren, Vibrationselementen und unterstützt von audio-visuellen Effekten, lassen sie den Besucher in gänzlich neue Welten eintauchen. Ein unbeschreibliches Erlebnis.
Bei 1000 Bahnen - haben Sie eine Lieblingsbahn?
Den Top Thrill Dragster (USA, Ohio). Ein Katapult, das in 3.5 Sekunden auf 160km/h beschleunigt, hochfährt, beinahe stehenbleibt und dann wieder runterrast. Ein unbeschreibliches Erlebnis. Unser leistungsfähigstes Katapult. Nicht das schnellste aber das eindrücklichste.
Welcher ist Ihr Lieblingsmoment auf der Achterbahn?
Wenn es los geht und der Zug aus der Station fährt.
Was bedeuten Freiheit und Unabhängigkeit für Sie?
Unabhängigkeit ist Freiheit für mich. Das schätze ich auch am Familienbetrieb.
Für welchen Misserfolg sind Sie heute dankbar?
Beinahe für jeden. Wir haben daraus gelernt und uns weiterentwickelt. Wir motivieren unsere Leute, Entscheidungen zu fällen und Fehler zu machen. Nichts ist schlimmer, als keine Entscheidung zu fällen.
Welchen Tipp haben Sie für junge Menschen?
Mut, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, Fehler zu machen und für diese einzustehen. So sammelt man Erfahrung, trainiert den Instinkt und senkt die Fehlerquote.
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