Strategie für die Energiewende
Geht es aber um Ökoinnovationen, ist der sechstkleinste Staat der Welt auch im globalen Vergleich weit Frau Monauni, Liechtenstein ist vor allem für seinen spezialisierten, international vernetzten Finanzplatz bekannt. Doch das Fürstentum verfügt auch über einen hohen Industrialisierungsgrad. Was macht den Standort für Unternehmen so attraktiv? Von Dirk Mewis
Wer an Länder der Superlative denkt, dem fällt nicht unbedingt sofort Liechtenstein ein. Geht es aber um Ökoinnovationen, ist der sechstkleinste Staat der Welt auch im globalen Vergleich weit vorne: Das Fürstentum verfügt zum Beispiel über den weltweit größten Anteil an Fotovoltaik pro Kopf. Und auch an anderer Stelle nimmt Liechtenstein eine wichtige Vorbildfunktion ein – bei der nachhaltigen Energiepolitik. Bereits 2003 wurde die Gemeinde Triesen als erste in den Trägerverein Energiestadt aufgegommen und ein Jahr später als Energiestadt zertifiziert. Zehn Jahre später sind alle elf Gemeinden des Landes mit dem Label ausgezeichnet, und das Fürstentum darf sich seitdem als „Energieland“ bezeichnen.
Liechtensteiner Gemeinden können das Label Energiestadt erreichen, wenn sie kontinuierlich eine effiziente Nutzung von Energie gewährleisten, die Investitionen für erneuerbare Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft steigern und umweltverträgliche Mobilität fördern. Das Zertifikat wird vom Trägerverein „Energiestadt“ verliehen. Alle vier Jahre muss die Gemeinde einen Re-Audit-Prozess bestehen, um das Label erneut zu erlangen. Mit 50 Prozent der Punkte wird eine Gemeinde Energiestadt, mit 75 Prozent der Punkte Energiestadt Gold. Ziel ist es, die Gemeinde zu eier nachhaltigen, kommunalen Energiepolitik zu führen. In Liechtenstein sind mittlerweile 100 Prozent der Gemeinden Energiestädte.
Viel Potential im Mobilitätsbereich
Energetische Altbausanierungen und die Subventionierung verschiedener Energiesparmaßnahmen, nennt Peter Kindle, Leiter Kommunikation Standortmarketing und Wirtschaftsförderung der Gemeinde Triesen, als wichtige Bausteine der Energiewende. Gleichzeitig sei die Sensibilisierung, Gutes für Umwelt, Klima und persönliche Lebensräume zu tun und dabei auch noch Geld einsparen zu können, entscheidend. Die zukünftige Herausforderung und gleichzeitig das vielleicht größte noch ungenutzte Potential sieht Kindle im Bereich des Verkehrs und im Mobilitätsverhalten des Einzelnen: „Wir bieten aktuell ein Carsharing-Programm mit Elektromobilität an. Womöglich schaffen wir es mittelfristig, mit diesem Angebot das eine oder andere fossilbetriebene Zweit- oder Drittauto in Haushalten überflüssig zu machen.“
Bei den regelmäßigen Energiestadt-Audits werden als Minimum 75 Prozent der Zielerreichungsquote gefordert, um den Goldstatus tragen zu dürfen. Triesen liegt bereits seit mehreren Jahren knapp über diesen 75 Prozent. Mit neuen Programmen bezüglich Beschaffungsstandards in der Verwaltung, des weiteren Ausbaus der E-Mobilität und der kontinuierlichen Erhöhung der energetischen Gebäudestandards peilt die Gemeinde für das nächste Audit 78 Prozent Zielerfüllungsquote an. „Die Energiebuchhaltung unserer Gemeinde zeigt, dass wir mit unserem breit angelegten und fördernden Maßnahmenpaket in weiten Bereichen bereits die strengeren Standards für 2030 erreicht haben“, stellt Kindle fest. Und „bezüglich Wasserverbrauch greifen wir bereits nach den Zielen, die für 2050 definiert sind“, fügt er hinzu.
Weitere Energiestadt mit Gold-Label
Mit Vaduz hat Liechtenstein jetzt eine weitere Energiestadt mit Gold-Label: „Viele, und vor allem kontinuierliche, Schritte waren notwendig, um betreffend Energieeffizienz und Nachhaltigkeit langfristig etwas zu verändern“, resümiert Manfred Bischof, Bürgermeister von Vaduz. Zu den Bausteinen des Goldlabels zählen unter anderem die Erfassung aller gebäudespezifischen Energie- und Wasserverbräuche, Daten zur Produktion erneuerbarer Energien, Abfallstatistiken, Mobilitätskennzahlen und eine Energiebuchhaltung, in der alle kommunalen Gebäude sowie die öffentliche Beleuchtung erfasst und ausgewertet werden. Der Stromverbrauch der Gemeinde pro Kilometer Straßenbeleuchtung sei zwischen 2009 und 2020 von 18 230 Kilowattstunden pro Jahr auf 5129 Kilowattstunden jährlich zurückgegangen. Außerdem seien im vergangenen Jahr 8725 Quadratmeter an kommunalen Flächen ökologisch aufgewertet worden. Die CO2-Emissionen im Verkehr zu senken, sei die größte zukünftige Herausforderung glaubt auch Bischof. „In diesem Bereich ist viel Potential vorhanden, um noch klimafreundlicher zu werden. Hier müssen wir es gemeinsam schaffen, ein breites Umdenken zu erreichen. Weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu mehr Bus, Bahn und Fahrrad.“
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Beitrag erschien in der Ausgabe vom 13. Januar 2022 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung.